UN-Nachhaltigkeitsziele sollen Entwicklungsziele mit Umwelt- und Klimaschutzzielen verknüpfen

Die Agenda 2030 ist eine freiwillige Selbstverpflichtung der Regierungen der 193 UN-Mitgliedsstaaten, die diese verabschiedet haben. Ziel der Vereinbarung ist, dass diese Länder bis zum Jahr 2030 eigene Maßnahmen umsetzen um die 17 Nachhaltigkeitsziele – »Sustainable Development Goals«, kurz: SDG – und 169 Unterziele zu erreichen. Der zentrale gesetzliche Rahmen für die Umsetzung in Deutschland ist die im Januar 2017 beschlossene Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (Drucksache 18/10910).

Nachhaltigkeitsziele

Laut Präambel ist die Agenda 2030 ein »Aktionsplan für die Menschen, den Planeten und den Wohlstand. Sie will außerdem den universellen Frieden in größerer Freiheit festigen. Wir sind uns dessen bewusst, dass die Beseitigung der Armut in allen ihren Formen und Dimensionen, einschließlich der extremen Armut, die größte globale Herausforderung und eine unabdingbare Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung ist.« Im folgendem Abschnitt sind die 17 Nachhaltigkeitsziele genannt:

1. Armut in jeder Form und überall beenden.
2. Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.
3. Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.
4. Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern.
5. Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen.
6. Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten.
7. Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sichern.
8. Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.
9. Eine belastbare Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen.
10. Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern.
11. Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nach haltig machen.
12. Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen.
13. Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen.
14. Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.
15. Landökosysteme schützen, wieder herstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren und den Biodiversitätsverlust stoppen.
16. Friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.
17. Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung wiederbeleben.

Quelle: UN

Die Agenda 2030 verknüpft Entwicklungsziele mit den Umwelt- und Klimaschutzzielen des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung der Agenda 21, die 178 Staaten auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 verabschiedet hatten. Außerdem lösten die SDG die acht Millenniumsentwicklungsziele – kurz: MDG – ab, die beim Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York im September 2000 vereinbart wurden. Diese waren: extreme Armut und Hunger bekämpfen, allgemeine Grundschulbildung verwirklichen, die Gleichstellung der Geschlechter fördern und die Rolle von Frauen stärken, die Kindersterblichkeit senken, die Gesundheit von Müttern verbessern, HIV/Aids, Malaria und andere schwere Krankheiten bekämpfen, die ökologische Nachhaltigkeit sichern, eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen.

In Deutschland ist das Statistische Bundesamt für die statistische Berichterstattung über Fortschritte beim Erreichen der SDG verantwortlich. Es war an der Entwicklung einer Liste von 244 globalen SDG-Indikatoren beteiligt. Im Juli 2019 schaltete das Bundesamt eine nationale Berichtsplattform zu den Indikatoren der SDG frei. Auf dieser Internetpräsenz kann sich die interessierte Öffentlichkeit über das Thema informieren.

Zwischenbilanz:»ohne wirksamen Klimaschutz wird es keine Erfolge bei der Bekämpfung von Hunger und Unterernährung geben«

Die Klima-Allianz Deutschland, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und weitere zivilgesellschaftliche Verbände und Netzwerke haben mit Blick auf die geplante Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie kürzlich einen Bericht zur Umsetzung der SDG veröffentlicht. Im Vorwort von »Vier Jahre Agenda 2030: Die Politik ist am Zug« weist der Herausgeberkreis darauf hin, dass es in manchen Bereichen Rückschritte gibt. Beispielsweise bei der Bekämpfung des Hungers: »Die Zahl der Menschen, die unter Hunger leiden, hat im dritten Jahr in Folge zugenommen.« Zudem bestehe die Gefahr, dass die international vereinbarten globalen Ziele bis zum Jahr 2030 nicht erreicht werden. Da die Nachhaltigkeitsziele eng miteinander verbunden sind, argumentieren die Autorinnen und Autoren, dass die Beseitigung der absoluten Armut (SDG 1) nicht möglich sei ohne Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen (SDG 16). »Und ohne wirksamen Klimaschutz (SDG 13) wird es keine Erfolge bei der Bekämpfung von Hunger und Unterernährung (SDG 2) geben«, nennen sie als weiteres Beispiel.
Bei ihrer Bestandsaufnahme zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsagenda in Deutschland zitieren Dr. Bernd Bornhorst – Vorsitzender vom Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen – und Jürgen Maier –Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung – Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung über Gewinner und Verlierer des Immobilienbooms. Der Studie zufolge müssen in Deutschland die finanzschwächsten 20 Prozent der Haushalte 40 Prozent ihrer Einkünfte für Mietkosten aufwenden, während Anfang der 1990er Jahre dazu ein Viertel des Einkommens reichte. Seit 2011 habe sich zudem das Vermögen derer, die Häuser besitzen, um mehr als drei Billionen Euro vermehrt. »Auf die reichsten 10 Prozent der Deutschen entfiel von diesen Kapitalgewinnen nach qualifizierten Schätzungen mehr als die Hälfte. Stark profitiert haben auch Haushalte der mittelständischen Oberschicht. Städtische Mieterhaushalte mit geringem Einkommen sind die großen Verlierer des Booms«, ergänzen sie. In Ihrer Analyse argumentieren Bornhorst und Maier, dass das deutsche Wirtschaftsmodell an seine Grenzen gelange und von der Substanz der in der Bonner Republik gepflegten sozialen Marktwirtschaft wenig übrig bliebe. Dabei weisen sie auf eine hohe Armutsgefährdung und auf hohe Unterschiede bei den Gehältern hin. Nirgendwo sonst in der Eurozone seien so viele Menschen im Niedriglohnsektor tätig. »Das heutige Ausmaß an Ungleichheit wäre noch vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen« resümieren sie. Ihrer Meinung nach durchkreuzen der Lebensstil sowie das Wirtschaftsmodell in Deutschland in vielen Bereichen – wie Auto-, Agrar- und Chemieindustrie – die globalen Nachhaltigkeitsziele. Daher seien Diskussionen »über ein anderes, nachhaltigeres, weniger exportlastiges deutsches Wirtschaftsmodell« sowie »inwieweit Wachstumsorientierung für die Lebenszufriedenheit der Menschen notwendig ist« überfällig. Nur so könnten Klima, Artenvielfalt, bäuerliche Landwirtschaft oder den sozialen Zusammenhalt gerettet und Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen erreicht werden.
In ihrem Betrag zum SDG-Report weist die Buchautorin Anja Krüger auf das Thema Verteilungsgerechtigkeit hin: »Nach Angaben der Bundesbank verfügen die reichsten 5 Prozent der Bürger_innen über ein Durchschnittsvermögen von 861.600 Euro.« Für die Sozialwissenschaflerin folgt daraus, dass in Deutschland und der EU alle politischen Entscheidungen nach Nachhaltigkeitskriterien überprüft werden sollten. In dem Sinne ein Prüfvorgang, der »auch die negativen externen Effekte für die Menschen in anderen Ländern konsequent berücksichtigt. Ziel muss eine kohärente Politik sein, die diese Effekte drastisch reduziert.«
In eine ähnliche Richtung zeigt das Statement von Prof. Dr. Kai Niebert. Nach Meinung des Präsidenten des Deutschen Naturschutzrings erfordere die sozial-ökologische Transformation einen Wandel in der Politik. Statt ökologische und soziale Belange wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, müsse die Wirtschaft innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen stattfinden. »Nach diesem neuen Primat muss die Bundesregierung die SDG sektorübergreifend in alle Politikfelder integrieren. Zentral sind dabei ein konkreter Aktionsplan für den Erhalt der biologischen Vielfalt sowie ein Sofortprogramm zum Klimaschutz, welches verbindliche Maßnahmen für alle Sektoren, einen beschleunigten Kohleausstieg sowie eine echte Mobilitätswende beinhaltet.«, meint Niebert.

Bundesregierung eröffnet Dialog zur Nachhaltigkeitsstrategie

Im Rahmen der Agenda 2030 sollen die UN-Mitgliedsstaaten eigene Maßnahmen umsetzen, die zur Erfüllung der 17 Nachhaltigkeitsziele führen. Bis Februar 2020 wird die Bundesregierung Dialogkonferenzen veranstalten zur Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Die nächste Veranstaltung wird am 27. November in Stuttgart stattfinden. Für Januar und Februar 2020 sind Konferenzen in Norderstedt, Erfurt und Bonn geplant. Interessierte haben die Möglichkeit, per E-Mail Ideen einzubringen zur Verbesserung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.

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